Hilde Domin wurde 1909 in Köln geboren, ihre Eltern waren der aus Düsseldorf stammende jüdische promovierte Rechtsanwalt und Kölner Justizrat Eugen Siegfried Löwenstein (1871–1942) und dessen Frau Paula, geborene Trier. Nach ihrem Abitur 1929 begann sie in Heidelberg Jura zu studieren und belegte ebenfalls Seminare in Nationalökonomie, Sozial- und Staatswissenschaften.
Sie studierte ein Jahr in Köln und auch in Berlin, wo sie die vielzitierte Rede Hitlers in der Hasenheide hörte. Domin hatte mit Kommilitonen "Mein Kampf" gelesen und besaß die Weitsicht, dass "Hitler das, was er in 'Mein Kampf' geschrieben hatte, auch ausführen würde.“
1931 lernte sie ihren Mann, den jüdischen Frankfurter Altphilologie- und Archäologiestudenten Erwin Walter Palm kennen.
1932 zogen sie nach Rom, wurden jedoch 1938 durch Hitlers Rassengesetze zu Staatsfeinden und beschlossen weiter nach Großbritannien umzusiedeln, wo sie bei Verwandten unterkamen. 1940 flohen sie über Kanada in die Dominikanische Republik. Hilde Domin trug wesentlich zum gemeinsamen Lebensunterhalt bei, indem sie überall Deutsch unterrichtete. Parallel dazu begann sie 1946 zu schreiben. Der zunehmenden seelischen Vereinsamung und zeitweiligen Entfremdung von ihrem Mann setzte sie ihr Schreiben entgegen, das sie nach dem Tod ihrer Mutter 1951 vor dem Suizid rettete. Sie war „eine Sterbende, die gegen das Sterben anschrieb“. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1954 veröffentlichte sie Gedichte unter dem Pseudonym Domin. Sie nannte sich nach dem Namen der Insel, auf der sie Zuflucht gefunden und ihr Dichterleben begonnen hatte. Lieben und Geliebtwerden, vor allem aber Gebrauchtwerden war für Hilde Domin der eigentliche Sinn des Lebens. 1954 kehrte sie nach 22 Jahren Exil in die Bundesrepublik zurück, doch pendelte sie noch sieben Jahre zwischen Spanien und Deutschland hin und her.
1959 erschien ihr erster Gedichtband Nur eine Rose als Stütze.[6] Domin empfand sich als "Gratwanderer“ mit viel Welt, aber wenig Boden unter den Füßen. Die traumatisierende Verfolgungs- und Exilerfahrung war gleichermaßen prägend für die Identität wie für das dichterische Werk der Lyrikerin, die ihre Beherrschung der Technik der Freien Rhythmen zu seltener Meisterschaft vervollkommnete. Die Selbstverständlichkeit von Zugehörigkeit ließ sich ebenso wenig wie die von Heimat wiedergewinnen. Zuflucht bot das dichterische Wort, die deutsche Muttersprache.
Und doch sieht man in dem Film „Ich will dich“ von Anna Ditges in ihren letzten 2 Lebensjahren eine kraft-und humorvolle, streitbare und unkonventionelle 95jährige, die spannend und bewegend über ihr Leben berichtet und nachsinnt. Großartig! Ich ziehe den Hut vor einer außergewöhnlichen Frau.
Am 22. Februar 2006 verstarb Hilde Domin in Heidelberg im Alter von 96 Jahren. Sie fand ihre letzte Ruhe in der Grabanlage, in der 1988 ihr verstorbener Ehemann beigesetzt wurde. Der von Domin selbst gewählte Grabspruch lautet: "Wir setzten den Fuß in die Luft / und sie trug".
Quelle: Wikipedia (gekürzt)
Nur eine Rose als Stütze
Ich richte mir ein Zimmer ein in der Luft
unter den Akrobaten und Vögeln:
mein Bett auf dem Trapez des Gefühls
wie ein Nest im Wind
auf der äußersten Spitze des Zweiges.
Ich kaufe mir eine Decke aus der zartesten Wolle
der sanftgescheitelten Schafe die
im Mondlicht
wie schimmernde Wolken
über die feste Erde zieh
Ich schließe die Augen und hülle mich ein
in das Vlies der verläßlichen Tiere.
Ich will den Sand unter den kleinen Hufen spüren
Und das Klicken des Riegels hören,
der die Stalltür am Abend schließt.
Aber ich liege in Vogelfedern, hoch ins Leere gewiegt.
Mir schwindelt. Ich schlafe nicht ein.
Meine Hand
greift nach einem Halt und findet
nur eine Rose als Stütze.
Aus: Hilde Domin "NUR EINE ROSE ALS STÜTZE" Gedichte Fischer Taschenbuch Verlag Juli 2008 Erstveröffentlichung 1959
Die Zeile „Nur eine Rose als Stütze“ hat mich förmlich „angesprungen“, als ich es zum ersten Mal las. Nicht, dass ich das Gedicht verstanden hätte, aber diese letzte Zeile berührte mich.
Hilde Domin, die immer wieder entwurzelt wurde: erst Italien, was sich als erste Station eines 22-jährigen Exils herausstellte, dann Großbritannien, und lange Zeit Südamerika. Dort, in der Dominikanischen Republik, begann ihre schriftstellerische Tätigkeit: Sie war „eine Sterbende, die gegen das Sterben anschrieb“ behauptete sie von sich selber. Diese Verlassenheitsgefühle, die Erfahrungen der Verfolgung, die sie ins Exil trieb und das Gefühl des „Nicht-Erwünscht-Seins“ finden sich immer wieder in ihren Gedichten. Hilde Domin findet Worte für diesen Zustand, nicht beschönigend und doch tröstend und hoffend, immer klug, lebensbejahend und mutig.
Text und Fotos Barbara Drees